New Work in Science – Wie viel steckt in der Wissenschaft? Und macht es überhaupt Sinn?
Vor einiger Zeit durfte ich mit Prof. Dr. Raimund Bleischwitz (mein wissenschaftlicher Direktor am Leibniz Zentrum für Marine Tropenforschung, mit dem ich dort einige Projekte zur Personalentwicklung voran bringen durfte) in einem Artikel für das online-booklet Work New @ Leibniz reflektieren: Wie viel New Work steckt schon in der Wissenschaft? Und welches „New Work“ kann die Wissenschaft weiterbringen?
Vorweg: New Work bedeutet weit mehr als home office, offene Bürokonzepte oder neue Möbel – auch wenn ich persönlich eine Leidenschaft für inspirierende Architektur habe.
Gemeinsam haben wir fünf zentrale Bereiche analysiert, in denen New Work spezifische Ideen und Konzepte für eine andere Art des Arbeitens bietet – und geschaut, wo diese in Wissenschaftsorganisationen bereits spürbar sind oder gezielt weiterentwickelt werden können, um die Wissenschaft als Arbeitsumfeld noch zukunftsfähiger zu gestalten.
Den ganzen Artikel findet Ihr unter diesem Link.
1. Führung & Hierarchie
Wissenschaft lebt von Freiheit, Offenheit und einer lebendigen Diskussionskultur. Gleichzeitig ist sie jedoch durch klare Hierarchien geprägt: Das Lehrstuhlmodell macht jüngere Wissenschaftler:innen oft stark abhängig von Professor:innen, die in der Regel über deren Fortkommen entscheiden. Dies erschwert interdisziplinäre Teamarbeit und hindert Nachwuchswissenschaftler:innen daran, Führungskompetenzen zu entwickeln. Zudem sind wissenschaftliche Führungskräfte meist nicht aufgrund ihrer Führungskompetenz in diese Rolle gekommen, sondern aufgrund ihrer Forschungsexzellenz. Schulungen zu zeitgemäßem Management, Personalentwicklung und Teambildung werden von Professor:innen selten wahrgenommen.
2. Kollaboration & Kommunikation
In der Wissenschaft entstehen Ideen oft in Einzelarbeit oder durch den Austausch auf klassisch strukturierten Konferenzen. Methoden wie Design Thinking oder andere kollaborative Kreativtechniken, die in der New-Work-Welt etabliert sind, spielen bisher kaum eine Rolle. Zwar sind wissenschaftliche Paper meist Gemeinschaftsarbeiten, doch echte Co-Kreation bleibt selten. Die klassische Kommunikation erfolgt über Dokumente, die nacheinander bearbeitet werden, anstatt synchron zu arbeiten. Agiles Arbeiten mit Zwischensprints wird eher als Belastung denn als kreative Arbeitsmethode wahrgenommen. Dabei könnte eine gezielte Weiterentwicklung der Arbeitsweisen die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Innovation fördern.
3. Purpose & Sinnstiftung
Wissenschaftler:innen identifizieren sich traditionell stark mit ihrer Arbeit und empfinden sie als sinnstiftend. Doch dieser Sinn bezieht sich meist auf die eigene Forschung, weniger auf eine übergeordnete Vision der Organisation oder eine gesellschaftliche Mission. Wissenschaftseinrichtungen tun sich oft schwer damit, eine gemeinsame Forschungsmission zu formulieren und ihre Mitarbeitenden in eine übergreifende Strategie einzubinden. Sinnstiftung wird für Mitarbeitende aus Wissenschaft und Verwaltung jedoch immer wichtiger. Dieses Potenzial könnte noch stärker genutzt werden, um die Attraktivität des Wissenschaftssektors zu steigern und die Aufgabe der Zukunftsgestaltung bewusst anzunehmen.
4. Diversität
Internationalität und Geschlechtergleichstellung werden mittlerweile an nahezu jeder Universität und Forschungsinstitution gefördert. Die Personalentwicklung bleibt jedoch oft auf klassische akademische Karrieren fokussiert. Internationalität wird gelebt und gleichzeitig ist das Onboarding oder dir interkulturelle Kommunikation eine stetige Herausforderung. Wie Friederike Otto (2023) gezeigt hat, ist das Wissenschaftssystem stark von westlichen Denkweisen geprägt – könnte aber enorm davon profitieren, wenn vielfältige Perspektiven stärker in die Forschung und Wissensproduktion einfließen würden.
5. Einbindung von Emotionen & Intuition
Aspekte wie Intuition oder Achtsamkeit, die im Kontext von New Work immer mehr an Bedeutung gewinnen, werden im faktenorientierten Wissenschaftssystem selten als relevante Kompetenzen betrachtet. Im Gegenteil: In der rational geprägten Wissenschaft werden sie oft abgewertet. Dabei spielt emotionale Intelligenz eine entscheidende Rolle – insbesondere in der Personalführung, für eine konstruktive Feedback-Kultur und in der Entscheidungsfindung angesichts komplexer Herausforderungen.
Ideen für mehr New Work in der Wissenschaft
Trotz vieler Potenziale finden Ansätze von New Work in der Wissenschaft bislang wenig Resonanz – selbst dort, wo sie sinnvoll wären. Welche Möglichkeiten gibt es, New Work ins Wissenschaftssystem zu integrieren? Wie könnte ein attraktives New Work aussehen, das wirklich zur Wissenschaft passt? Ein universelles ‚New Work‘ für die Wissenschaft gibt es nicht – und es macht auch keinen Sinn, ein Konzept auf alle Organisationen zu stülpen. Kontaktiert mich gerne, dann überlegen wir gemeinsam, was zu Eurer Organisation passt.